Mehr als historische Dokumente und Fotos
Ich bin Gabriela Kallenbach, 53 Jahre alt, verheiratet – und ich bin gehörlos. Ich arbeite seit über einem Jahr als Freiwillige im BFD im Stadt‐ und Kreisarchiv der Stadt Schmalkalden. Das Archiv ist eine Einrichtung des Zweckverbands Kultur des Landkreises Schmalkalden‐Meiningen und steht allen interessierten Bürgern/-innen offen. Im Archiv werden Urkunden, Amtsbücher, Bauakten, alte Tageszeitungen und sonstige Schriften, Bilder und Tonträger mit Bezug zur Geschichte der Stadt‐ und des Altkreises Schmalkalden aufbewahrt.
Meine Tätigkeit besteht dabei vorwiegend in der digitalen Erfassung der Alt‐ und Neubestände an Akten und Urkunden sowie Fotos (z. B. von Persönlichkeiten, Nachlässen/Sammlungen oder Gebäuden), aber auch die Aufbereitung von geschichtlichen Ereignissen, z. B. im Rahmen von Bilderbänden und Alben.
Das Stadt‐ und Kreisarchiv steht Interessierten und Besuchern/-innen zur Einsicht in die Akten zu den Öffnungszeiten zur Verfügung. Als gehörlose Mitarbeiterin ist der Kundenkontakt dabei ein kleines Hindernis, aber Probleme gab es bisher noch nie. Sowohl mit den Kollegen als auch den Besuchern funktioniert die Kommunikation dabei immer - egal ob mit Hand und Fuß oder schriftlich mit Hilfe von Zetteln und Notizen
1. Was interessiert Sie an Ihrer Einsatzstelle am meisten?
Für mich ist es immer wieder spannend, die vielen alten Fotos von Privatpersonen, Vereinen und Firmen zu sehen bzw. die dahinterstehenden Geschichten zu lesen. Manchmal kommen auch Besucher, um in alten Zeiten zu forschen. Ich versuche da gerne, so gut wie es geht, zu helfen. Dadurch erfahre ich auch unheimlich viel über die Zeitgeschichte der Stadt und der einzelnen Menschen. Das bereitet mir sehr viel Spaß.
2. Was war das tollste Erlebnis bisher in Ihrem Bundesfreiwilligendienstes?
Im Rahmen der Bildungstage habe ich drei Tage an der Fachhochschule Schmalkalden verbringen dürfen, um so auch mal einen Einblick in die Verwaltung‐ und Arbeitsabläufe einer größeren Verwaltung erhalten zu können. Dort war ich auch im Personalreferat eingesetzt. Ein tolles Erlebnis da war, dass Herr Sven Hauser ‐ mein Mentor vor Ort ‐ sich sehr für die Gebärdensprache interessiertund über mich auch noch mehr darüber wissen wollte. Er hat sich sehr viel Mühe gegeben und im Laufe der Tage einige Gebärden gelernt. Auf seinem Tisch habe ich sogar das Fingeralphabet entdecken können – er hat wohl bereits im Vorfeld damit geübt. Dieses Interesse an meiner Muttersprache hat mich sehr beeindruckt.
3. Was ist die Größte Herausforderung für Sie?
Die größte Herausforderung in meinem Bundesfreiwilligendienst war es, passende Möglichkeiten für die Teilnahme an den Bildungstagen zu finden. Viele Veranstaltungen wurden in Seminarform angeboten oder es wurde z. B. der Besuch von Messen und Museen mit entsprechender Führung angedacht. Für mich als Gehörlose ist eine Teilnahme an solchen Veranstaltungen ohne einen Gebärdensprachdolmetscher kaum sinnvoll. Aber letztendlich konnte ich dank der tollen Unterstützung durch die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Thüringen e.V., die sich jedes Mal um die Organisation eines Gebärdensprachdolmetschers gekümmert hat, an zahlreichen Veranstaltungen teilnehmen.
4. Was wünschen Sie sich für die Zeit nach Ihrem Bundesfreiwilligendienst?
Nach dem Ende meines Bundesfreiwilligendienstes wünsche ich mir gern eine Weiterbeschäftigung im Stadt‐ und Kreisarchiv des Zweckverbandes oder einer ähnlichen Einrichtung. Die Arbeit dort macht mir jeden Tag auf ein Neues sehr viel Spaß.
Außerhalb des Bundesfreiwilligendienstes würde ich mir wünschen, dass sich mehr Hörende für die Gebärdensprache interessieren und auch das Interesse haben, diese zu erlernen. Dadurch könnten Kommunikationsbarrieren abgebaut werden und es zu einem noch besseren Miteinander von hörenden und hörgeschädigten Menschen führen. Ein grundlegendes Interesse daran besteht ‐ das sehe ich auch immer wieder an den Gebärdensprachkursen der Volkshochschule, die ich nebenbei in meiner Freizeit gebe.