

Erfahrung Generationsoffenheit
Als ich im September meine Tasche gepackt habe, um in Hamburg an meinem ersten Bufdi-Treffen (Bufdi = Bundesfreiwilligendienst) teilzunehmen, hatte ich keine großen Erwartungen. Vier Tage mit Fremden, die bestimmt gerade alle ihr Abi fertig haben und höchst ambitioniert sind. Ich hatte eine lange Arbeitswoche hinter mir und würde keine Zeit zum Ausruhen haben. Im Nachhinein komme ich mir wegen dieser Gedanken miesepetrig und voreingenommen vor. Wie sich zeigen sollte, konnte ich nicht mehr falsch liegen.
Der Raum bei der Auftaktveranstaltung unserer Bildungstage im Rahmen des amarena-Festivals war von vielen sehr unterschiedlichen Menschen gefüllt. Wir waren etwa 15 Bufdis. Im Alter zwischen 18 und Anfang 70 war jede Altersgruppe vertreten und damit auch nahezu jeder Aufgabenbereich eines Amateurtheaterbetriebs: Techniker*innen für Licht und Ton, Ausstatter*innen, Betriebswirtschaftler*innen, Organisationstalente, Bibliothekar*innen, Kursleitungen, Tänzer*innen, Schauspieler*innen und Akrobat*innen, denen allen eine Liebe fürs Theater gemein ist.
Die Zeit in Hamburg hat Türen für einen besonderen Austausch geöffnet: Gemeinsamkeiten wurden entdeckt, Pläuschchen gehalten, Abendplanungen gemacht, Nummern ausgetauscht und sogar Pläne für ein Wiedersehen geschmiedet. Am tiefsten hat mich der Austausch nach unseren Theaterbesuchen beeindruckt. Die zunächst so simple Frage „Wie hat dir das Stück gefallen?" ist mit jeder Vorstellung mehr zu einer lebhaften Diskussion herangewachsen. Mit jedem Gespräch kam ein Puzzlestück hinzu – denn jede*r hat sich aus einem persönlichen, von den eigenen Interessen und Erfahrungen geleiteten Blickwinkel mit der Aufführung auseinandergesetzt. Nicht nur hatte ich einen derart breit gefächerten Austausch – über Expertisen und Generationen hinweg – so noch nicht erlebt, aber besonders das aufrichtige Interesse an der Einschätzung anderer hat meine individuelle Erfahrung der einzelnen Stücke bereichert.
Ich denke, in meiner Erfahrung des generationsoffenen Bundesfreiwilligendiensts spiegeln sich ein Miteinander und Prozesse wider, die das Amateurtheater im Allgemeinen ausmachen und einen Grundstein unserer Gesellschaft darstellen oder darstellen sollten. Mein Bufdi-Kollege Felix (Anfang 20, Burgtheater Altleiningen) hat seinen Theaterverein als Topf bezeichnet, in den alle hineingeworfen werden, anders als bei anderen Freizeitaktivitäten, bei denen oft nach Alter oder Leistung getrennt wird. Alle werden gebraucht und wertgeschätzt.
„Jung und Alt lernen voneinander", sagt Matthias (Anfang 60, Freilichtbühne Greven). Jede*r bringt sich nach den eigenen Stärken ein und der Prozess des gemeinsamen Theater-Machens steht dabei – so scheint mir – fast mehr im Fokus als die Aufführung selbst. So ent- und besteht Raum für kulturelle Bildung, nicht nur in der Interpretation und Präsentation eines Textes, sondern im gemeinsamen Erarbeiten, Einbringen und Dranbleiben, im Voneinander-Lernen und Miteinander-Wachsen – auch und vor allem durch intergenerationelle Zusammenarbeit, durch die Begegnung zwischen Groß und Klein, Jung und Alt.
Zur Person
Ich interessiere mich für kulturelles Erbe, materiell und immateriell. Ich mag Bob Dylan und Herr der Ringe. Studiert habe ich Ethnologie und Kunstgeschichte und mache einen Bundesfreiwilligendienst, um mich, während ich mich beruflich orientiere, mit Büchern, Kultur und Theater sowie netten Menschen umgeben zu können. In meiner Einsatzstelle, der Theater- und Spielberatung Baden-Württemberg, arbeite ich mit tollen Frauen, die sich in verschiedenen Lebensphasen befinden und sich mit ihrem Wissen, Können und ihrer Leidenschaft fürs Theater immer wieder unermüdlich für die verschiedensten Projekte einsetzen. Dort darf ich mich in der dazugehörigen Bibliothek einbringen und einen Einblick in den Kulturbetrieb gewinnen.
Mehr Stimmen zu Erfahrungen mit Generationsoffenheit im BDAT-Bundesfreiwilligendienst: Statements zu generationsoffenem Theater | Spiel & Bühne Online